ZV 28512: Thilo, Heinrich; Das fröhliche und glückselige Neue Jahr
VD 16-Nr.: ZV 28512 Kurztitel: Das fröhliche und glückselige Neue Jahr Autor: Thilo, Heinrich Druckort: Magdeburg Erscheinungsjahr: 1584 |
VD16-Link
Autor:
Pfarrer in Schmölln
weitere Namensform: Heinrich Thylo
Drucker:
Roß, Wilhelm
Verleger:
Francke, Johann
Titel
Das Fr#[oe]=||liche vnd gl#[ue]ckselige || Newe Jar:|| Mit Außlegung der || Hochtr#[oe]stlichen Namen || des Newgebornen Christkinde=||lins/ vnd außtheilung derselbigen ... ||
Format, Umfang, Signaturformel:
12°; [184] Bl.; A12 - Q12, letztes Blatt leer
Standort(e) im VD16:
Berlin SB
weitere Standorte:
-
Widmungsempfänger:
Pfalzgraf Ludwig bei Rhein
Widmungsvorrede:
Bl. A2r – A12v, Datum 9. Dezember 1580 (“der Tag, an dem Pfalzgraf Friedrich 1482 geboren wurde”)
Inhalt:
nach der Vorrede ab Bl. B1r:
Thilo erklärt, es sei eine alte Gewohnheit, sich zu Neujahr Geschenke zu machen, abgeleitet aus der Freude über die Geburt Christi und aus der Bibel, Buch Esther, 9. Kap., wo steht, dass die Juden sich aus Freude über die Rettung ihres Lebens jedes Jahr Geschenke sandten. Thilo erwähnt aber nicht den antiken Brauch der strenae. Die Geschenke sind nach Thilo aber heute vor allem ein Symbol für die Freude über das Geschenk Gottes, der uns seinen Sohn gegeben hat.
Thilo führt aus, es sei im Papstum der Brauch gewesen, die Leute zu diesem Tag zum Lachen zu bringen, anstatt das Wort Gottes zu predigen. Es gab allerdings auch einige Prediger, die zum Neuen Jahr "feine Allegorien" an die Zuhörer ausgeteilt haben, um jeden an seine Aufgaben je nach seinem Stand zu erinnern. Doch auch das geschah dann oft mit unnötigem "Geschwätz und Märlein", wobei von der Geburt Christi und seine Erlösungstat oft kaum die Rede war.
Thilo betont an dieser Stelle, dass man der Jugend sehr wohl erklären müsse, wie die Situation in der dunklen Zeit des Papstums war. Dann aber berichtet er, wie die Allegorien beschaffen waren, die die Prediger früher an die Gemeinde verteilten.
Der Obrigkeit schenkte man zum Neuen Jahr den Pelikan, der sich die Brust aufhackt, um mit seinem Blut seine Jungen vor dem Tod zu retten. Die Obrigkeit erlässt gute Gesetze, sorgt für die Untertanen, schützt vor Gewalt und setzt im Notfall auch das eigene Leben ein, so wie der Heilige Georg. Der König Alphons [von Neapel] hatte in seiner Stube immer das Bild eines Pelikans. Einige Prediger schenkten der Obrigkeit auch den Baum aus dem Buch Danielis, Kap. 4, der dann auf die Erhaltung des Friedens hin ausgelegt wurde.
Den Predigern schenkte man die Taube Noahs mit dem Ölzweig. Noah sendete einen Raben und zwei Tauben aus, die von Luther als zwei Sorten von Predigern ausgelegt wurden. Die guten Prediger sind die Tauben mit dem Ölzweig, denn dieser bedeutet das Evangelium. Ausgelegt werden können auch die wohltuenden Eigenschaften des Öls.
Den Untertanen wurde gewöhnlich das Bienlein verehrt, das seinen Weisel, den Bienenkönig, ehrt. Als Exempel für brave Untertanen gilt die Geschichte von Eberhard von Württemberg, der sich rühmte, er könne unbesorgt im Haus eines jeden seiner Untertanen übernachten. (Über das positive Bild Eberhards (gest. 1496) als Landesvater bei den Lutheranern vgl. Dieter Mertens: Eberhard im Bart als politische Leitfigur, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 59 (2000), S. 43-56 und Gerhard Faix: „Im Schoße der Untertanen“. Graf Eberhard im Bart (1445-1496) als Leitfigur im Königreich Württemberg. In: Geschichtsbilder und Gründungsmythen, hrsg.v. Hans-Joachim Gehrke. Würzburg 2001, S. 349-389). Dazu kommt das Exempel des Markgrafen von Meißen, der von einem Untertanen vor einem Mordanschlag gerettet wurde.
Den Hausvätern wurde gewöhnlich die Ameise geschenkt, die Vorräte anlegt. Dieses Tier stehe auch für die Eheleute, denn Faulheit bringe Armut. Thilo zitiert hier den Pseudo-Bernardus-Brief "De cura rei familiaris", in dem geraten wird, Vorrat zu bilden und alle Arbeiten sorgsam zu überwachen (zum Pseudo-Bernardus-Brief vgl. die Übersetzung von Adam Walasser von 1569, 1. Text des Sammelbandes).
Den Kindern wurde der Storch geschenkt (Vgl. Artikel „Storch“. In: Enzyklopädie des Märchens (EM) Bd. 12, Sp. 1333-1337). Ein Exempel für gute Kinder ist die Tochter des Cimonis, die ihren Vater im Gefängnis aus ihren Brüsten ernährte (In der Kunstgeschichte wird dieses Motiv als Caritas Romana bezeichnet. Daneben gibt es auch die Version von der gefangenen Mutter, die von ihrer Tochter gesäugt wird. Schon bei Valerius Maximus sind beide Versionen, mit dem Vater und mit der Mutter, zu finden. Vgl. Rudolf Schenda: Artikel „Brust, Brüste“. In: EM Bd. 2, Sp. 957-963 und Christine Shojaei Kawan: Artikel „Säugen“. In: EM Bd. 11, Sp. 1156-1163).
Negatives Exempel sind dagegen die Kinder, die den Propheten Elia wegen seiner Glatze verspotteten und dafür von Bären zerrissen wurden (Vgl. Gerd Schwerhoff: Der Spott der Knaben und der Fluch des Propheten. Bildliche Darstellungen einer alttestamentarischen Geschichte (II. Könige, 2, 23-24) am Ausgang des Mittelalters. In: Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner. Hrsg. v. Andrea Löther. München 1996, S. 277-284). Außerdem das Exempel von dem reichen Sohn, der vor seinem Vater Essen versteckte, das sich danach in Schlangen verwandelte (KHM, Nr. 145; EM Bd. 12. In Grimms Märchen und in Paulis Schimpf und Ernst (1522) ist es eine Kröte, die dem Sohn ins Gesicht springt. Johann Pauli: Schimpf und Ernst [1522], hrsg. von Johann Bolte. Berlin 1924, ND Hildesheim 1972, Nr. 437). Ebenso das Exempel von dem Sohn, der seinen Vater abweist und danach “rasend” wird.
Dem Gesinde wurde der Kranich verehrt, als biblisches Exempel hier dient der Hauptmann von Capernaum mit seinem Gesinde. Als Sinnbild für fleißiges Gesinde gibt es eine Gemälde von einem Knaben mit einem roten Hut (Vgl. Cousin 1535). Über faule Diener schreibt dagegen Bernardus, dass man sie als Feinde ansehen müsse.
Den Jungfrauen wurde die Schnecke geschenkt, Dina, die Tochter des Jakob (Gen. Kap. 34), ist für Jungfrauen ein negatives Exempel. Den Witwen gab man die Turteltaube und und Schulmeistern die Gluckhenne. An dieser Stelle erzählt Thilo das Exempel von dem Sekretär des Kaisers Karl V. mit Namen "Oberbürger" (Johannes Obernburger, geb. um 1500, gest. 1552), der nach der Schlacht von Mühlberg unter den Gefangenen ehemalige Klassenkameraden wiedererkannte. Dagegen gibt es auch Beispiele von undankbaren Schülern und von grausamen Schulmeistern. All dies, führt Thilo aus, war früher der Brauch, heute dagegen habe man etwas sehr viel Besseres auszuteilen, nämlich den Namen Jesu.
Ab Bl. E7r beginnt die Auslegung des Namens Jesu, ab Bl. F8r wird die Auslegung des Weihnachtsliedes “Ein Kindlein löblich ist uns geboren heute” eingeschoben, Wort für Wort ausgelegt, bis Bl. G9v, danach gibt es weitere Namen von Jesus, immer mit zahlreichen Exempeln, bis Bl. Q7v.
Bl. Q8r lateinisches Gebet
Bl. Q9v lateinisches Lied, bis Bl. Q11r.
Historischer Kontext
Thilo benutzt zum Teil wörtlich zitierend, aber ohne Angabe seiner Quelle, die Postilla von Johannes Gigas, 1571 (Frankfurt a.d.O. 1575, VD16: H 3233, Bl. XLVIIv), dieser wiederum muss die Erwähnung der Neujahrsausteilungen in der Neujahrspredigt über "Das Evangelium vom Weibessamen" von Johannes Mathesius gekannt haben, obwohl diese erst viel später gedruckt wurde (Johann Mathesius, New Jahr Mathesij, hrsg. v. Johann Beyer. Leipzig 1587, VD 16: M 1527), denn die Entlehnungen (etwa bei den Zuordnungen der symbolischen Tiere zu den verschiedenen Ständen) liegen auf der Hand.
Wie Gigas und Mathesius gibt Thilo nur Bericht von dem alten Brauch, ohne selbst solche "Schenkungen" vorzunehmen. Bei Thilo sind diese Ausführungen die Einleitung zu seiner Auslegung des Namens Jesu. Aber während Mathesius und Gigas sich nur en passant damit beschäftigen, wird der Bericht bei Thilo durch zahlreiche Exempel, die sonst vor allem aus den Katechismus- und Haustafelpredigten bekannt waren, auf viele Seiten Länge ausgeweitet. Andere lutherische Pfarrer, wie z. B. Sigismund Schwabe in Breslau, waren zu dieser Zeit schon dazu übergegangen, selbst Neujahrsausteilungen mit symbolischen Tieren zu publizieren, wobei sie sich ebenso wie Thilo an der Ständereihung aus Luthers "Haustafel" orientierten (Sigismund Schwabe: Austeilung des Neuen Jahrs allen Ständen in schönen Sprüchen und Gleichnissen; in: Vom heiligen Christwürmlein. Görlitz 1570, VD 16: S 4524; vgl. auch den Artikel zu Christoph Fischers Neujahrspredigt von 1593; über das Ständereihungsmodel der “Haustafel” vgl. den Artikel zu Cyriacus Spangenbergs Haustafelauslegung von 1556.).
Literatur:
online: Walter Behrendt: Lehr-, Wehr- und Nährstand. Haustafelliteratur und Dreiständelehre im 16. Jahrhundert. Berlin 2009, S. 246.