W 791: Walasser, Adam; Geistlicher und weltlicher Zuchtspiegel

Aus Cinquecentine.de
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Weitere Druckausgaben:


VD 16-Nr.: ZV 25919

Hauszucht und Regiment

Dillingen: Sebald Mayer 1569

(enthält nur die Texte 2 – 4)


VD 16-Nr.: -

Ingolstadt 1586

Willer III, 450 (bisher kein Exemplar nachgewiesen)


zu weiteren Druckausgaben von Übersetzungen des Pseudo-Bernardus-Briefs "De cura rei familiaris" s. Artikel Walasser, Hauszucht und Regiment 1569

VD 16-Nr.: W 791

Kurztitel: Geistlicher und weltlicher Zuchtspiegel  

Autor: Walasser, Adam

Druckort: Ingolstadt

Erscheinungsjahr: 1572



VD16-Link

W 791


Autor:

Adam Walasser (vor 1540-1581), Kompilator und Herausgeber dieser Schrift, kein Geistlicher.

ADB 40 (1896), S. 640-643

Killy Literaturlexikon XII (1992), S. 109f.

Kosch XXVII (2007), Sp. 370-373.

Frühe Neuzeit in Deutschland, 1520-1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon (VL16), herausgegeben von Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Michael Schilling, Johann Anselm Steiger und Friedrich Vollhardt. Band 6: Siber, Adam - Zyrl, Christian. Berlin 2017, Sp. 435 - 441 (Kai Bremer, Melanie Mihm)


weitere Autoren, Übersetzer, Herausgeber etc.:

Jean Gerson (Vorlagenautor)

Pseudo-Bernardus (Bernardus Claraevallensis) (Vorlagenautor)

Petrus Canisius [?]


Drucker:

Weissenhorn, Alexander d. J.


Verleger:

Weissenhorn, Anna


Format, Umfang, Signaturformel:

8°; [46] Bl.; A8-F6; A1v, F7, F8 leer; Zierstücke (A4v, B6v); RG


Standort(e) im VD16:

Berlin SB

Budapest NB

Eichstätt UB

München BSB

München UB


weitere Standorte:

(In der Regel sind diese Standortangaben den Bibliothekskatalogen oder Verbundkatalogen entnommen. Daher ist nicht absolut sicher, dass die Exemplare tatsächlich der beschriebenen Ausgabe entsprechen. Wenn ein Exemplar autoptisch überprüft wurde, wird dies ausdrücklich vermerkt.)

London BL: 1016.f.26. (2.)

nach USTC 658999: Ohio State University Library, Columbus, OH (USA) BR430.W35 157



Inhaltsüberblick:

Der Text setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen. Nach der Vorrede (A2r-A3v) werden in einem Inhaltsverzeichnis (A4r-A4v) die folgenden Texte angekündigt:

1. (A5r-B6v) Eine schöne Lehr und Regel, wie sich allerlei Stands Christen­menschen halten sollen, aus Johann Gerson gezogen

[nach Jean Gerson, De modo vivendum fidelium, 1404]

2. (B7r-C6v) Nützliche und notwendige Lehrstücke und Ermahnun­gen, wie ein jeglicher Hausherr und Frau ihr Haus christlich regieren und wohl versorgen soll

[Es handelt sich um eine Übersetzung der Epistola de cura rei familiaris von Ps.-Bern­hardus. Inhaltsüberblick hierzu vgl. Artikel zu ZV 25919 ]

3. (C7r-D4v) Schöne Lehre wie sich die Eheleute gegenein­ander, die Eltern gegen ihre Kinder [...] halten sollen, aus andern alten Büchern verdeutscht

4. (D4v-E1v) Christliche Lehre wie sich ein junger Knabe gegen Gott und die Welt halten soll

5. (E1v-E6r) Christli­che Hausord­nung für die Herrschaft und Eheleute

[Der 4. und der 5. Text werden im Inhaltsver­zeichnis dem Jesuiten Petrus Canisius zugeschrieben, konnten aber bisher nicht identifiziert werden].

6. (E6r-F1v) Schöne Lehre und heilsame Gebote König Ludwigs in Frankreich, die er seinem Sohn Philipp gegeben hat

7. (F1v-F5r) Schöne Exempel der Tugenden nach dem Alphabet

8. (F5r-F6v) Feine alte Verse und Reime, zu geistlichem und zeitlichem Haushalten dienstlich.



Historischer Kontext (zu Text 1):

Während die frühere Ausgabe von 1569, die Walasser anonym und unter einem anderen Titel herausgebracht hatte, mit der Übersetzung der Epistola de cura rei familiaris des Pseudo-Bern­hardus begann, stellt er in dieser Ausgabe eine Übersetzung der Schrift De modo vivendi fidelium des französischen Theologen Jean Gerson von 1404 (in: Jean Gerson, Oeuvres complètes Bd. 8, hrsg. v. Palémon Glorieux, Paris 1971, Nr. 399) an den Anfang.

Der kleine lateinische Traktat des Pariser Professors war im 15. Jahrhundert auch in Deutschland recht weit verbreitet, war aber im 15. Jahrhundert nie ins Deutsche übersetzt worden. Von Georg Spalatin gibt es eine Übersetzung aus der Frühzeit der Reformation, die aber nicht gedruckt wurde (vgl. Georg Müller, Artikel „Spalatin, Georg“, in: ADB 35, S. 1-29, hier S. 21: Eyn Innig Buchlein Christlich zwleben zw hayl allen stenden.)

Gersons Schrift soll aber auch die Vorlage für Luthers Haustafel gewesen sein, eine Reihung von Sätzen mit Ständebelehrungen aus den Paulus- und Petrusbriefen, die Luther an seinen Kleinen Katechismus von 1529 angehängt hatte. In der Zeit nach Luthers Tod erschienen von lutherischer Seite eine Reihe von Predigtzyklen über die Haustafel, die sich gut verkauften. Walasser könnte sich bei seiner Bearbeitung des Textes von Gerson auch an dem Haustafel-Schema von Luther orientiert haben, obwohl noch nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es nicht vielleicht auch andere Vorbilder gegeben hat. Deutlich wird aber immerhin, dass das gesellschaftliche Ordnungsschema, das seit den 1550er Jahren mit der Haustafel von Luther popularisiert wurde, auch in katholischen Kreisen Akzeptanz fand. Vgl. auch die spätere Ständereihe von Franciscus Agricola Biblischer Amtspiegel, Köln 1577 (VD16: A 881), und den Artikel dazu in Cinquecentine.de.

Inhalt:

In der Vorrede beklagt Walasser den allgemeinen Niedergang der Sitten und die Verbreitung von ketzerischen Lehren. Nur wenn jeder den Pflichten seines jeweiligen Standes nachkäme, könnte die Welt sich bessern. Zur Erinnerung an diese Pflichten habe er das vorliegende Büchlein geschrieben, das aber nicht seiner Erfindung entspringe, sondern ganz der Heiligen Schrift und den Büchern verständiger Lehrer entnommen sei.


In dem ersten Text werden die folgenden Stände mit Sprüchen aus der Bibel und von den Kirchenvätern über das von ihnen geforderte Verhalten belehrt:

Christen allgemein


Prelaten

Klosterleute

Klerus


Fürsten, Edelleute und Richter

Kriegsleute


Ehemänner


Ehefrauen

Jungfrauen

Witwen


Alte Männer

Jünglinge

Alte Frauen

Junge Frauen


Eltern

Kinder


Schulmeister

Schüler


Hausherrschaft

Knechte und Mägde


Kaufleute und Krämer

Wirte und Gastgeber

Reiche

Arme


Handwerker


Walasser übersetzt die Reihung von Ständebelehrungen, die er in Gersons Traktat De modo vivendum fidelium vorfindet, ins Deutsche, aber verändert dabei an mehreren Stellen die Reihenfolge. An den Anfang stellt er den umfassenden Stand aller Christen, der bei Gerson am Ende steht, dann werden die geistlichen Stände der Prälaten, der Klosterleute und des Klerus mit Lehren bedacht. Danach folgen die weltlichen Herrschaftsstände der Fürsten, Edelleute und Richter sowie der mit diesen verbundene Stand der Kriegsleute. Bei Gerson standen dagegen die Nobiles vor den vier geistlichen Ständen der Bischöfe, Prälaten, Kleriker und "Religiösen". Nach den geistlichen Ständen folgen bei Gerson die Armen und die Reichen und dann die traditionelle Trias von Jungfrauen, Witwen und Verheirateten. Walasser dagegen verschiebt die Armen und Reichen an das Ende seiner Reihe und setzt vor die Dreiergruppe den Stand der Ehemänner, erst danach kommen bei ihm Ehefrauen, Jungfrauen und Witwen. Hier erkennt man recht deutlich das Vorbild der Haustafel von Luther, der in seiner Ständebelehrung durch Bibelsprüche die Stände des Hauses ("oeconomia") nach dem aristotelischen Modell der drei Herrschaftsbeziehungen im Haus ordnet: Ehemann/Ehefrau, Eltern/Kinder und Hausherrschaft/Gesinde. Walasser übernimmt diese Reihenfolge, hält aber zugleich an der traditionellen Zusammenstellung von Jungfrauen, Witwen und Verheirateten fest, indem er die Reihenfolge dieser Trias umkehrt, so dass die Ehefrau auf den vorangestellten Ehemann folgt. Vor den Eltern und den Kindern schiebt er noch alte Männer und Jünglinge sowie alte Frauen und junge Frauen ein, während Gerson nur einen Stand der Alten an der vorletzten Stelle seiner Reihung hat. Besonders ausführlich behandelt Walasser Schulmeister und Schüler, die er zwischen die Stände Eltern/Kinder und Hausherrschaft/Gesinde setzt. Die Schulmeister und Schüler gibt es weder bei Gerson noch bei Luther, sie waren aber in den lutherischen Haustafelauslegungen seit 1552 (in diesem Jahr erschien der erste Haustafel-Traktat von Hieronymus Weller) sehr verbreitet. Am Ende der Reihung von Walasser stehen wie bei Gerson die Kaufleute und die Wirte (bei Gerson vor den Alten). Hier ordnet Walasser auch Arme und Reiche ein und ergänzt als Abschluss noch den Stand der Handwerker.

Zu den Texten 2 bis 5 vgl. die ( Inhaltsbeschreibung der früheren Ausgabe von 1569).

Der sechste Text sind 25 kurze Lebenslehren eines Vaters an seinen Sohn.

Der siebte Text ist eine Auflistung von 23 Tugenden, die mit verschiedenen Heiligen verbunden werden. Diese Heiligen werden nach ihren Anfangsbuchstaben geordnet, die nacheinander das Alphabet bilden.

Der achte Text besteht aus kurzen Lehren, die die Haushaltung betreffen.


Digitalisat:

München BSB

In dem Digitalisat fehlen die Seiten C6v und C7r sowie die Seiten F5v und F6r.



Literatur:

zu Text 1: online: Walter Behrendt: Lehr-, Wehr- und Nährstand. Haustafelliteratur und Dreiständelehre im 16. Jahrhundert. Berlin 2009, S. 236-238 (Gegenüberstellung der Ständereihungen von Gerson, Walasser und Luther).


zu Text 6 und Text 7, vgl. Erika Heitmeyer: Der "Kleine Catechismus" des Johann von Detten: Reprint des Drucks von 1597 und Kommentar. Paderborn 1994, S.117f.


Exemplarspezifische Besonderheiten:

Exemplar Berlin SB: 2 in: Dg 7153

vorgebunden: Kaspar Franck, Von dem ordentlichen Beruf der Priester und Prediger, Ingolstadt: Alexander Weissenhorn 1571;

angebunden: [Johannes Kitzinger], Summarische Erklärung eines bedrängten Christen, Ingolstadt: Alexander Weissenhorn 1571; Stanislaus Hosius, Schwert des Geists, Ingolstadt: Alexander Weissenhorn 1572; Philipp Doberei­ner, Sendschreiben vom Aufgang des Christentums in der neuen Welt, München: Adam Berg 1571

auf dem Titelblatt der ersten Schrift handschriftlich: "Collegij Soc: IESV Erfurti 1662" sowie Widmung von anderer Hand.