G 1937: Ghro, Johann; Lehr-, Wehr- und Nährstand: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. November 2010, 10:12 Uhr
Weitere Druckausgaben, die denselben oder dieselben Texte enthalten (geordnet nach Erscheinungsjahr):
VD 16-Nr.: -
o.O. 1582
Dresden SLUB: Lit. Germ.rec.B 200,32 (dort fälschlich unter dem Autornamen "Ghroburger")
VD 16-Nr.: ZV 23440
Mühlhausen: Hantzsch Erben 1586
hrsg. v. Matthäus Juncker
München BSB
digitalisiert
VD 16-Nr.: -
Frankfurt a.d. Oder: Johann Eichorn o. Ä., o. J.
Berlin SB: Xc 581/1
fälschlich im VD17: 1:689768Y;
es ist vielmehr sicher ein Druck des 16. Jahrhunderts, möglicherweise sogar der Erstdruck. Als Drucker ist deshalb Johann Eichorn d. Ä. und nicht, wie im VD17 und im Berliner Katalog angegeben, Johann Eichorn d. J. anzunehmen.
VD 16-Nr.: G 1937 [[1]] Kurztitel: Lehr-, Wehr- und Nährstand Autor: Ghro, Johann Druckort: Mühlhausen Erscheinungsjahr: [um 1580] |
Autor:
Ghro, Johann, Lebensdaten unbekannt. Nicht identisch mit dem Komponisten Johann Ghro aus Dresden (ca. 1575 – ca. 1627), denn er ist mindestens eine Generation älter als der Dresdner Musiker. Er scheint in Beziehung zum kurfüstlichen Hof zu stehen, denn von ihm stammen eine Trauerschrift von 1586 (VD 16: ZV 21785 - digitalisiert in München BSB und Halle ULB - und ein Nachdruck ZV 6609) zum Tode des Kurfüsten August und eine Gratulationsschrift zur Taufe einer Tochter von dessen Nachfolger Christian I. von 1588 ("Neu gehaltene Invention", vorh. in Halle ULB: Pon Vc 2697, noch nicht im VD 16 verzeichnet).
Drucker:
Hantzsch, Georg
Format, Umfang, Signaturformel:
8°; [24] Bl.; A8 - C8
Standort(e) im VD16:
Wolfenbüttel HAB
Illustrationen:
Titelholzschnitt: Ein Vogel mit langem Hals und einem kurzen spitzen Schnabel steht in seinem Nest und hackt sich die Brust auf, aus der Blut spritzt. Drei Jungvögel in dem Nest trinken das Blut. Der Vogel soll eine Pelikanmutter darstellen, die ihre von einer Schlange getöteten Kinder mit ihrem Blut wieder zum Leben erweckt.
Der Holzschnitt wird auf Bl A3v erneut verwendet.
Historischer Kontext:
Die gereimte Vorrede weist dieses Gedicht als eine Neujahrsgabe aus, die allerdings keiner besonderen Person gewidmet ist. Seit den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts hatten lutherische Pastoren begonnen, einen alten kirchlichen Brauch des 15. Jahrhunderts wieder aufzunehmen und in der Neujahrspredigt ihrer Gemeinde verschiedene symbolische Tiere, Gegenstände oder biblische Gestalten zu verehren, die jeweils einem bestimmten Stand zugeordnet waren. Die dabei berücksichtigten Stände entsprachen in der Regel den Ständen der lutherischen Haustafel (Geistliche, Zuhörer, Obrigkeit, Untertanen, Ehemänner, Ehefrauen, Eltern, Kinder Hausherrschaft, Gesinde, junge Leute, Witwen und alle Christen insgesamt). Das hier vorliegende Gedicht stammt nicht von einem Geistlichen und der Begriff der Haustafel wird auch nicht erwähnt, dennoch hält sich die Abfolge der Stände ungefähr an dieses Schema. Auch die Auswahl der symbolischen Tiere entspricht weitgehend dem Vorbild anderer lutherischer Pastoren (z. B. Johannes Mathesius).
In der späteren Auflage von 1586 hat Matthäus Juncker diesen Text einfach übernommen. Er hat Ghros Namen unter der Vorrede getilgt und die ersten Verse der Vorrede, die den Autornamen als Akrostichon darstellten, so verändert, dass sein eigener Name darin erschien.
1602 hat ein Andreas Crusius dieses Gedicht unter seinem Namen, aber mit unverändertem Titel leicht gekürzt noch einmal in Magdeburg drucken lassen und dem Bürgermeister von Lüneburg als Neujahrsgabe verehrt (VD 17: 23:241003B).
Inhalt:
Nach der oben erwähnten Vorrede wird der Vogel Pelikan der Obrigkeit verehrt, dann die Biene und die Ameise in einem Kapitel zusammengefasst den Eltern und Untertanen, die Taube von Noah den Pastoren, die Gluckhenne den Präceptoren (Lehrern), der Storch den Kindern, der Kranich den Knechten und Mägden, die Turteltaube den Witwen, der alttestamentliche Joseph den jungen Gesellen und am Ende die Schnecke den Jungfrauen.
Das erste Kapitel über den Pelikan weicht im Aufbau von den übrigen ab. Nach der Verehrung des Pelikans an die „Ampleute vnd grossen Herrn“ in wenigen Versen folgt eine Erläuterung in Prosa, woher das Bild des Brustaufhackens stamme, mit dem Titel „Von der Natur des Pelicans Leben“. Die Jungen des Pelikans würden oft durch eine Schlange getötet, aber die zurückkehrende Mutter könne nach dreitägiger Trauer ihre Jungen durch ihr eigenes Blut wieder zum Leben erwecken, werde danach aber so schwach, dass nun die Jungen ihrerseits die Mutter versorgen müssten. Das ist der einzige Abschnitt in Prosa in dem gesamten Text. Danach wird dieses Motiv des Pelikans nach seiner geistlichen Bedeutung auf zwei Seiten in Versen ausgelegt, daran anschließend auf weiteren zwei Seiten in seiner weltlichen Bedeutung. Geistlich wird das Bild auf Christus und die Kirche gedeutet, weltlich auf die Obrigkeit und ihre Untertanen. Die am Anfang stehende Prosa-Passage dagegen stammt aus der deutschen Übersetzung der Exempelsammlung von Johannes Manlius, Locorum communium collectanea, Frankfurt a. M. 1565 (VD 16: M 614), und diese Passage findet sich auch im Tierbuch von Plinius, übersetzt von Johann Heyden, "Von der Natur Art", ebenfalls Frankfurt a.M. 1565 (VD 16: P 3553), dort auf S. 468.
Die Stände der Eheleute und der Kinder aus der Haustafel hat Ghro ausgelassen, dafür aber die Stände der jungen Gesellen und der Jungfrauen hinzugefügt. Aber auch für diese Hinzufügung gibt es Vorbilder bei lutherischen Pastoren, wie etwa in der Neujahrspredigt der Postilla von Georg Spindler von 1576 (VD 16: S 8337), in der ebenfalls den jungen Gesellen die Figur des keuschen Joseph verehrt wird.
Edition:
Microfiche-Edition bei: Hans Joachim Köhler (Hrsg.): Flugschriften des späteren 16. Jahrhunderts. Leiden 1990ff, Fiche 823/ Nr. 1501.
Literatur:
Walter Behrendt: Lehr-, Wehr- und Nährstand. Haustafelliteratur und Dreiständelehre im 16. Jahrhundert. Berlin 2009, S.272-276, zu den lutherischen Neujahrspredigten S. 272-276. online: [[2]]